Als ich über Jon M. Chus Verfilmung von *Wicked* nachdachte, wurde mir klar, dass ich vor dem Besuch mehrerer Vorführungen fast zwei Jahrzehnte lang kaum an das Musical gedacht hatte. Während ich es während seines kulturellen Höhepunkts schätzte und – wie viele andere auch – stolz den Soundtrack besaß, beschränkte sich meine Erinnerung als Erwachsener hauptsächlich auf die Grundprämisse: „Oh, es ist das Musical über die böse Hexe des Westens mit dem eingängigen Song ‚Popular‘.“
Als Erwachsener war es jedoch eine ganz andere Erfahrung, *Wicked* noch einmal zu sehen. Zu meinem Erstaunen stellte ich fest, dass ich noch jedes einzelne Lied im Gedächtnis hatte. Erwachsene Zuschauer decken oft Themen und Details auf, die in der Jugend unbemerkt blieben, und ich wurde mir der ergreifenden Diskussionen von *Wicked* über Tierrechte im Land von Oz wieder bewusst – ein Aspekt, den ich völlig übersehen hatte.
Diese Erkenntnis hat meine Wertschätzung für die Raffinesse des Films, des Musicals und des Originalromans vertieft. Die Erzählung trifft einen aktuellen Nerv, der im heutigen Kontext tiefgreifend nachhallt, indem sie zeigt, wie die Behandlung von Tieren in Oz über eine bloße Nebenhandlung hinausgeht – sie ist ein entscheidender Faktor für Elphabas Charakterentwicklung. Die Geschichte befasst sich mutig mit den Konzepten des Andersseins, der Unterdrückung von Wissen durch die Behörden und sogar mit Elementen faschistischer Herrschaft.
Das Konzept des „Andersseins“ in Oz
Für diejenigen, die *Wicked* schon länger nicht mehr gesehen haben, hier ein kurzer Überblick: Elphaba und Glinda besuchen die Shiz University, wo Doktor Dillamond, der letzte verbliebene Tierprofessor, zu einer wichtigen Figur in ihrer Ausbildung wird. Während einer Vorlesung weicht Dillamond vom Lehrplan ab, um seine Schüler über die Existenz sprechender Tiere in Oz aufzuklären – ein starker Kontrast zu der gegenwärtigen Ächtung, der sie jetzt ausgesetzt sind. Nach einer Dürre verwandeln sich diese Tiere von geliebten Gefährten in Sündenböcke für Oz‘ Unglück.
Während des Unterrichts verspotten die Schüler Dillamond unablässig wegen seines Akzents. Ein schockierender Moment ereignet sich, als er sich an die Tafel stellt und ein erschreckendes Dekret verkündet: „Tiere sollen gesehen, aber nicht gehört werden.“ Dieser Moment unterstreicht die beunruhigende Realität, dass Tiere in ganz Australien systematisch ihre Fähigkeit zu sprechen verlieren – eine Unterdrückung, die aus Angst entsteht.
Diese Erzählung legt den Grundstein für eine überzeugende Metapher, die zeigt, wie marginalisierte Gruppen, die von den Mächtigen dämonisiert und ausgeschlossen werden, feststellen, dass ihre Stimmen in gesellschaftlichen und historischen Erzählungen unterdrückt werden. Die Kontrolle über die Erzählung liegt letztlich bei den Mächtigen.
Die Notlage der Ausgegrenzten, wie sie Dillamond verkörpert, führt dazu, dass sie um Mitgefühl bitten, was in der größeren Gemeinschaft oft auf taube Ohren stößt. Bemerkenswerterweise zeigt *Wicked*, dass die Studentenschaft selbst wenig Besorgnis zeigt, sondern sich stattdessen dafür entscheidet, ihren sozialen Status zu wahren und sich dem spöttischen Gelächter anzuschließen – ein Spiegelbild der oft unbequemen Wahrheit, dass Menschen Gruppenakzeptanz über moralisches Handeln stellen können.
In *Wicked* zeigt nur Elphaba aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen mit Diskriminierung aufgrund ihrer grünen Haut echte Sorge um Doktor Dillamond.
Parallelen zwischen *Wicked*, Amerika und dem Anderen
Achtung: Spoiler für *Wicked*
Im weiteren Verlauf der Geschichte wird klar, dass die Ausgrenzung der Tiere nicht nur eine unglückliche Folge von Widrigkeiten ist; sie entpuppt sich als kalkulierte Strategie des Zauberers von Oz, um seine Herrschaft zu festigen. Zynisch erklärt er: „Wo ich herkomme, weiß jeder, dass man die Menschen am besten zusammenbringt, indem man ihnen einen richtig guten Feind gibt.“
Die Ursprünge des Zauberers sind ausdrücklich mit den USA verbunden, was die beängstigenden Parallelen zwischen der Handlung von *Wicked* und tatsächlichen historischen Ereignissen in der amerikanischen Gesellschaft unterstreicht. Der Film feierte 2003 Premiere, zeitgleich mit umfangreichen Militäraktionen im Irak und der vorherrschenden Fremdenfeindlichkeit nach dem 11. September, und spiegelte die Gefühle wider, die während der Ära des Zauberers aufkamen, die vom Zweiten Weltkrieg geprägt war. Gleichzeitig unterstreichen aktuelle gesellschaftspolitische Trends das anhaltende Aufkommen von Sündenbock-Suchen im politischen Diskurs.
Die Veröffentlichung des Films ist besonders bemerkenswert, da er den Wiederwahlkampf einer bestimmten politischen Persönlichkeit begleitet, die daraus Kapital schlug, die Schuld für gesellschaftliche Probleme auf Randgruppen zu schieben, darunter auch Einwanderer ohne Aufenthaltspapiere.
Die Gefahren der Wissensunterdrückung
Springen wir vor zu einem weiteren entscheidenden Moment: Als wir Doktor Dillamond das nächste Mal sehen, ist er in großer Eile – „Heute ist mein letzter Tag bei Shiz“, verkündet er. In einer schockierenden Wendung wird Tieren plötzlich der Unterricht verboten. Sicherheitskräfte entfernen Dillamond gewaltsam, eine Tat, die die repressiven Maßnahmen gegen diejenigen verdeutlicht, die nach der Wahrheit suchen.
„Man erzählt dir nicht die ganze Geschichte!“, ruft Dillamond, als er weggezerrt wird. Damit ist die Bühne frei für einen aufschlussreichen Moment, in dem Elphabas Wutausbruch das Emblem der Schule zertrümmert und eine Vergangenheit ans Licht bringt, in der Tiere Lehraufträge innehatten.
Der neue Geschichtslehrer enthüllt eine groteske Darstellung der Macht: einen Käfig, in dem ein unschuldiges Löwenbaby gefangen ist, das Angst einflößen soll – eine Abscheu, die dazu dient, den Löwen daran zu hindern, jemals seine Stimme zu finden. Dieser Handlungspunkt veranschaulicht die Manipulation ganzer Gruppen durch generationenübergreifende Traumata und psychologische Dominanz.
Trotz der schockierenden Grausamkeiten bleiben die Studenten größtenteils passiv. Ihr Gehorsam wird von sozialen Normen und der Angst, aufzufallen, bestimmt. Autoritäten herauszufordern kann zur Ausgrenzung führen, ein Risiko, das die meisten lieber vermeiden möchten.
Dieser Kontrollmechanismus – Angst verbreiten, Wissen regulieren und bestimmen, wer die Erzählung gestaltet – ist typisch für faschistische Ideologien. Gregory Maguires Roman „Wicked“ schreckt nicht davor zurück, den Zauberer als Sinnbild totalitärer Herrschaft darzustellen.
Während man solche Vergleiche gerne als fiktive Übertreibungen abtun möchte, ist es schwierig, die aktuellen Trends in den USA zu übersehen. Dazu gehören beunruhigende Fälle von Buchverboten gegen marginalisierte Gemeinschaften, insbesondere von LGBTQ+-Literatur.
*Wicked* ist zweifellos ein großartiges Spektakel, das Eskapismus bietet; es liefert jedoch auch einen scharfen Kommentar zu relevanten gesellschaftlichen Themen. Während wir uns in der heutigen komplexen Landschaft bewegen, bleibt die Frage: Werden wir uns der vorherrschenden Erzählung beugen oder uns erheben, um sie aktiv herauszufordern?
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