Unkonventionelle Betriebssysteme haben mich schon immer fasziniert. Von Tails, einem auf Datenschutz ausgerichteten Betriebssystem, das NSA-Geheimnisse preisgab, bis hin zur Installation eines 50 MB großen Betriebssystems auf einem alten PC – ich glaubte, schon auf die ungewöhnlichsten Systeme gestoßen zu sein. Doch kürzlich entdeckte ich, dass es eine riesige Auswahl an experimentellen Betriebssystemen gibt, die vielen noch weitgehend unbekannt sind. Aus Neugier lud ich meinen Ventoy-USB-Stick und widmete mich ein Wochenende lang der Erforschung von vier der seltsamsten Betriebssysteme, die ich finden konnte.
Einige dieser Systeme, insbesondere ReactOS, hatten Kompatibilitätsprobleme mit Ventoy und moderner Hardware, sodass ich für einen ordnungsgemäßen Test eine virtuelle Maschine einrichten musste. Lassen Sie uns diese einzigartigen Systeme und ihre Besonderheiten näher betrachten.
ReactOS
Ein Windows-Klon, der seit 27 Jahren in der Entwicklung ist
ReactOS ist ein Open-Source-Projekt, das Windows ohne proprietären Microsoft-Code nachbilden möchte. Ziel ist es, ein Betriebssystem zu entwickeln, das Windows-Anwendungen als Alternative zum klassischen Windows-Betriebssystem ausführen kann.
Bei meinen Tests in einer virtuellen Umgebung erinnerte die Installation an die Technologie der frühen 2000er Jahre. Die Installationsoberfläche erinnert an Windows XP und zeigt blauen Text, der bei manchen nostalgische Gefühle auslösen könnte. ReactOS kann viele ältere 32-Bit-Windows-Anwendungen ausführen, wenn auch mit unterschiedlichem Erfolg. Während Programme wie Firefox und 7-Zip reibungslos liefen, stürzten Programme, die aktuelle Bibliotheken benötigten, häufig ab oder ließen sich nicht starten. Benutzer können Anwendungen aus dem Internet herunterladen oder den integrierten Anwendungsmanager nutzen, der eine kuratierte Auswahl an Programmen bietet.
Nach fast dreißig Jahren kontinuierlicher Entwicklung präsentiert sich ReactOS als bemerkenswerte Open-Source-Alternative zu Windows. Doch ist es auch für den Alltag geeignet? Diesen Standard erfüllt es leider noch nicht.
Verdammt kleines Linux
Der ultimative Begleiter für veraltete Hardware
Damn Small Linux (DSL) wirft eine interessante Frage auf: „Wie viel passt in 50 MB?“ Die Originalversion, die auf eine CD in Visitenkartengröße passte, zeigte, dass für eine funktionale Desktop-Umgebung keine Gigabyte an Speicherplatz erforderlich sind.
Nach einer Zeit der Inaktivität tauchte das Projekt im Jahr 2024 wieder auf und führte eine 700 MB große Iteration ein, die auf antiX 23 i386 basierte und für den Betrieb auf älterer Hardware konzipiert war, darunter Intel Core-Prozessoren der ersten Generation und Pentium 4-Desktops – Maschinen, von denen viele vielleicht dachten, sie seien längst vergessen.
Ich habe es auf einem alten Dell Inspiron mit 4 GB RAM installiert und es startete in weniger als 15 Sekunden. Diese Leistung ist für einen Laptop, der den Zahn der Zeit überdauert hat, ziemlich bemerkenswert.

DSL ist mit einer Reihe vorinstallierter Anwendungen ausgestattet, von Webbrowsern bis hin zu Open-Source-Office-Suiten und Dateimanagern. Beeindruckenderweise erkannte es meine Netzwerkkarte, mein Soundsystem und meine USB-Geräte automatisch und mit minimalem Aufwand.
Damn Small Linux wurde speziell entwickelt, um ältere Computer wiederzubeleben, die sonst veralten könnten, und ist in seiner Nische hervorragend. Es fehlen jedoch viele der modernen Funktionen, die für ein vollwertiges Desktop-Betriebssystem erforderlich sind, was seine Praktikabilität im Alltag einschränkt.
Haiku
Wiederbelebung von BeOS

Haiku ist eine zeitgenössische Hommage an BeOS, ein multimediaorientiertes Betriebssystem aus den 1990er Jahren, das um das Jahr 2000 von der Bildfläche verschwand. Seitdem zielt das Haiku-Projekt darauf ab, BeOS neu zu erfinden und es durch moderne Hardwarekompatibilität zu verbessern.
Obwohl die Benutzeroberfläche von Haiku simpel erscheint, überzeugt es mit beeindruckenden Bootzeiten. Mit minimalen Ladebildschirmen oder Fortschrittsanzeigen wechselt es schnell in eine benutzerfreundliche Desktop-Umgebung, die an seinen Vorgänger BeOS erinnert.
Die Deskbar, ein charakteristisches Feature des ursprünglichen BeOS, enthält Code aus Open-Source-Komponenten von Be Inc.nach der Schließung des Unternehmens. Dieses Designelement wurde beibehalten und durch moderne Verbesserungen ergänzt.

Haiku ist im WebPositive-Browser vorinstalliert und hat mit der Darstellung moderner Webseiten zu kämpfen. Surfer könnten Schwierigkeiten haben, auf Websites zu navigieren, die nicht für den Internet Explorer optimiert sind, was auf die Einschränkungen der Browserfunktionen hinweist.
Haiku ist zwar einzigartig, doch die fehlende Unterstützung moderner Webstandards schränkt seinen praktischen Nutzen ein. Für Enthusiasten, die sich mit Betriebssystemen beschäftigen, bietet Haiku jedoch eine faszinierende Spielwiese.
Redox OS
Ein Betriebssystem mit einem Twist

Redox fällt definitiv in den Bereich der unkonventionellen Betriebssysteme, da es vollständig in Rust entwickelt wurde und vom traditionellen C/C++ abweicht, das moderne Betriebssysteme wie macOS, Windows und Linux dominiert.
Alles, vom Kernel und den Treibern über die Benutzeroberfläche (Orbital) bis hin zur C-Bibliothek, ist in Rust geschrieben. Dadurch überzeugt Redox mit schnellen Ladezeiten und übertrifft sogar Pop!_OS. Dieses Feature unterstreicht sein Potenzial als praktikable Alternative zu Linux.
Die Benutzeroberfläche erinnert an andere Linux-Distributionen und enthält bereits nützliche Programme wie einen Dateimanager, einen Kalender, einen Minecraft-Client und sogar einen kostenlosen Open-Source-Ego-Shooter namens FreeDoom, der auf derselben Engine wie Doom basiert.

Allerdings ist Redox OS noch in der Entwicklung und weist erhebliche Inkonsistenzen in der Benutzerfreundlichkeit auf. Viele mitgelieferte Anwendungen funktionieren möglicherweise nicht richtig, wichtige Funktionen wie ein Kontextmenü per Rechtsklick fehlen und es gibt derzeit keine dedizierte Einstellungsoberfläche.
Obwohl die Entwicklung von Redox OS vielversprechend ist, dient es in erster Linie als Sandbox zum Experimentieren. Für alle, die sich für die Zukunft von Betriebssystemen interessieren, könnte die Erkundung von Redox ein lohnendes Unterfangen sein.
Das Unkonventionelle annehmen
Es ist unwahrscheinlich, dass eines dieser Betriebssysteme Ihr primäres Betriebssystem in absehbarer Zeit ersetzen wird. ReactOS ist nicht ausreichend mit Windows kompatibel, Damn Small Linux ist speziell auf veraltete Hardware ausgerichtet, schwächelt aber bei anspruchsvollen Aufgaben, Haiku hält den Geist eines vergangenen Betriebssystems am Leben und Redox OS steckt noch in den Kinderschuhen.
Was also ist der Grund für die Existenz dieser unkonventionellen Systeme? Sie sind Ausdruck der Leidenschaft der Entwickler, die eher vom Wunsch nach Experimenten als von praktischer Anwendbarkeit angetrieben wird. In vielen Fällen kann dieses Streben nach dem Einzigartigen und Ungewöhnlichen zu den faszinierendsten Kreationen führen.
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