Das Konzept biblisch korrekter Engel erkunden

Das Konzept biblisch korrekter Engel erkunden

Engel haben die Menschheit im Laufe der Geschichte fasziniert, von den alten Schriftrollen vom Toten Meer bis hin zu zeitgenössischen Darstellungen in der modernen Unterhaltung. Ob in Serien wie Supernatural oder Good Omens, die Bilder von Engeln beschwören typischerweise Visionen wunderschöner Wesen mit Flügeln herauf. Dies wirft jedoch die Frage auf: Wie haben sich die biblischen Autoren diese himmlischen Wesen wirklich vorgestellt? In jüngster Zeit ist das Konzept der „biblisch genauen Engel“ aufgetaucht, das deutlich von traditionellen Darstellungen abweicht.

„Biblisch korrekte Engel unterscheiden sich stark von den mit Heiligenscheinen versehenen, Harfe zupfenden Engeln, die in der Populärkultur dargestellt werden.“

Der Ursprung der „biblisch korrekten Engel“

Um die Wurzeln dieses Konzepts zu ergründen, müssen wir uns mit dem Buch Hesekiel befassen. In einem entscheidenden Moment in Babylon hatte der Prophet Hesekiel eine Vision am Fluss Kebar, in der ihm außergewöhnliche „himmlische Kreaturen“ offenbart wurden. Er beschrieb eine Art mit vier Gesichtern – die eines Löwen, eines Adlers, eines Ochsen und eines Menschen – die jeweils in eine andere Richtung blickten. Dieses Geschöpf besaß einen Körper mit vier Flügeln und endete in kalbsähnlichen Hufen. Bemerkenswert ist, dass es fliegt, ohne seinen Körper zu drehen, da seine Köpfe in alle Richtungen blicken können – ein bemerkenswerter und einschüchternder Anblick.

Die zweite von Hesekiel beschriebene Kreatur ähnelte einem brennenden Rad, das hell wie Topas leuchtete. Innerhalb dieses Rades befand sich ein weiteres, sich kreuzendes Rad, beide mit zahlreichen Augen bedeckt. Diese Wesen wurden als Teil von Gottes Wagen identifiziert, ein Schauspiel, das mit der dramatischen Essenz der Erzählungen des Alten Testaments in Einklang stehen würde.

Das Internet ahmt dieses Spektakel seitdem ständig nach.

Es stellt sich die Frage: Sind diese ehrfurchtgebietenden Wesen tatsächlich Engel? Die Internet-Community bejaht diese Frage und spiegelt damit die Ansichten historischer theologischer Studien wider. In den Jahrhunderten nach der Zusammenstellung der biblischen Texte bemühten sich christliche Gelehrte, die himmlische Hierarchie zu interpretieren. Eine bemerkenswerte Figur war dabei Pseudo-Dionysius Areopagita, ein griechischer Theologe aus dem späten 5.und frühen 6. Jahrhundert.

Pseudo-Dionysius und die himmlische Hierarchie

Pseudo-Dionysius führte in seinem Werk De Coelesti Hierarchia (Die himmlische Hierarchie) eine strukturierte Hierarchie der Engel ein und kategorisierte sie in drei Sphären. Jede Sphäre enthält unterschiedliche Chöre, die auf der Rangfolge basieren:

  • Erste Sphäre: Seraphim, Cherubim, Ophanim (Throne)
  • Zweite Sphäre: Herrschaften, Tugenden, Mächte
  • Dritte Sphäre: Fürstentümer, Erzengel, Engel

Seiner Klassifizierung zufolge wurden die viergesichtigen, vierflügeligen Wesen, denen Hesekiel begegnete, als Cherubim identifiziert, während die Räder als Throne kategorisiert wurden. Beide dieser Engelsklassifikationen werden außergewöhnliche Kräfte zugeschrieben, die sich deutlich von den bekannteren menschenähnlichen Darstellungen unterscheiden, die man in modernen Medien sieht.

Das Missverständnis „biblisch korrekter“ Engel

Trotz dieser umfassenden Klassifizierung führt die Bezeichnung dieser Wesen als „biblisch korrekte Engel“ zu einem Missverständnis. Der Begriff „Engel“ stammt vom griechischen Wort „angelos“, was „Bote“ bedeutet. Im biblischen Kontext stellen Engel – auf Hebräisch „Malakim“ genannt – eine Kategorie von Boten dar, die sowohl menschliche als auch göttliche Wesen umfasst. Während himmlische Boten oder Engel in der gesamten Heiligen Schrift als männliche Figuren dargestellt werden, dominieren menschenähnliche Darstellungen unser Verständnis.

Im Buch Genesis beispielsweise besuchen drei Engel Abraham, die zunächst als Menschen dargestellt werden. Abraham erkennt respektvoll ihre göttliche Mission an und verneigt sich in Ehrfurcht. In einem anderen Bericht später in Genesis erscheinen Lot, einer weiteren rechtschaffenen Figur, zwei Engel, und auch sie werden wieder in Menschengestalt dargestellt.

Daher werden Hesekiels erstaunliche Geschöpfe gemäß der biblischen Definition nicht als Engel eingestuft. Sie wurden nicht als „Malakim“ bezeichnet, was auf eine Unterscheidung zwischen gewöhnlichen Engeln und anderen himmlischen Wesen hinweist.

Quelle der Verwirrung

Das Missverständnis rührt in erster Linie von den Interpretationen des Pseudo-Dionysius her. Er betrachtete alle himmlischen Wesen als „Malakim“, unabhängig von ihren visuellen Merkmalen, da sie alle Gottes Gebote erfüllen. Er ging davon aus, dass die höchsten Chöre der Engel – Seraphim, Cherubim und Throne – Botschaften direkt von Gott erhielten und diese anschließend an die anderen Chöre weitergaben.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Klassifizierung von Cherubim und Thronen als Engel zwar Jahrhunderte nach den biblischen Schriften entstand, ihre ursprünglichen Beschreibungen diese Nomenklatur jedoch nicht enthielten. Letztendlich trug Pseudo-Dionysius zu einer reicheren, wenn auch visuell fantasievolleren Perspektive auf Engel bei als die konventionelleren Darstellungen, denen wir heute oft begegnen.

Quelle & Bilder

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert